Seine Leidenschaft für Elektrizität

Die damals schon ausgeprägte Leidenschaft von Henri Tudor für Elektrizität kommt vermutlich von seinem Physikprofessor Ernest Rousseau, aber auch von seinem Vetter Nikolaus Josef Schalkenbach.
Die Innovationen im Bereich der Elektrotechnik und die internationale Elektrizität-Ausstellung in Paris (1881) haben diese Neigung wahrscheinlich verstärkt. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass Henri Tudor diese Ausstellung besucht hat.

Zurück in Rosport, schließt sich Henri in jedem Fall mit seinem Bruder Hubert und seinem Vetter Nikolaus zusammen, um im Bereich der Elektrizität zu experimentieren:
Er erfindet die Elektrode nach dem tudorschen Prinzip und verändert den Blei-Akkumulator damit dergestalt, dass er zum ersten Mal technisch und wirtschaftlich verwertbar wird.

Im Jahre 1891 heiratet er Marie-Madeleine Pescatore, mit der er drei Kinder bekommt: Anne, Marie-Antoinette und John. Das Haus der Familie, das er in der Nähe des Irminenhofes bauen lässt, wird wegen seiner Größe und seines englischen Stils von den Einwohnern von Rosport „d’neit Schlass“ genannt.

Henri Tudor stirbt 1928 an den Folgen einer Bleivergiftung

Die Anfänge

Henri Tudor hat seine ersten Experimente mit der Unterstützung seines Bruders Hubert und seines Vetters Nikolaus Josef Schalkenbach während der Semesterferien gemacht. Um 1881 schließt er einen Gramme-Generator an die väterliche Wassermühle an und erzeugt damit elektrischen Strom. Um die Spannung zu stabilisieren und den schwankenden Bedarf auszugleichen, schaltet Henri seine selbst konstruierten Akkumulatoren im Stromkreis dazu. Im Oktober 1882 ist der Irminenhof somit eines der ersten privaten Häuser in Europa, das mit Elektrizität versorgt ist.

Ein Kraftwerk in der Abtei Echternach

Im Jahre 1886 bietet Tudor der Stadt Echternach an, die Petroleumlaternen durch eine elektrische Beleuchtung zu ersetzen.
Nachdem die Bedenken ausgeräumt sind, das Tudorsche System könne in einer größeren Stadt nicht so gut funktionieren wie im Irminenhof, nimmt die Gemeinde den Entwurf an. Ende 1886 ist in der Abtei von Echternach ein Kraftwerk für die stabile und konstante Beleuchtung eingerichtet und die Stadt kann die neue Technologie nutzen.

Zu Beginn seiner industriellen Tätigkeit schließt sich Tudor mit Adolph Müller zusammen. Dieser Handelsvertreter wird im Jahre 1887 Vertreter der Brüder Tudor in Deutschland. Ein Jahr später schließt er ein Abkommen mit den Tudor-Brüdern und erhält das exklusive Recht, Tudor-Akkumulatoren in Deutschland, Zentral- und Osteuropa sowie Skandinavien herzustellen und zu verkaufen.

Bereits nach kurzer Zeit muss Tudor einen zweiten Dampfkessel einbauen, um die Leistung des Stromnetzes zu erhöhen und so mehr private Häuser anschließen zu können. Die Beleuchtung von Echternach überrascht und inspiriert das Ausland, und viele Städte – insbesondere in Belgien – wollen Verbindung zu Tudor aufnehmen. Dieser gründet die Société Anonyme Belge pour l’Eclairage Public par l’Electricité, um seine Aktivitäten in Belgien zu erleichtern.

Elektrische Anlagen für die Stromversorgung

Bei der Weltausstellung in Lyon (1894) stellt Henri Tudor, in Zusammenarbeit mit dem Hause Lombard-Gérin, eine elektrische Station vor, die auf einem Dynamo und einer Batterie aufbaut und 500 Lampen mit 10 Kerzen (150A bei 115V) während vier Stunden zum Leuchten bringt. Ein Gasmotor treibt dabei den Dynamo an, der den Strom für den Tudor-Akku und für das Netz liefert. Wenn der Dynamo nicht genügend Strom erzeugt, um den Bedarf zu decken, springt die Tudor-Batterie automatisch ein. Wenn hingegen die Nachfrage sinkt, kann der Gasmotor ausgeschaltet werden und die Batterie liefert ganz kurz weiter Strom bzw. der Generator liefert die Leistung. Dieses System hat jedoch einen Nachteil: obwohl selten erforderlich, bedingen Akku-Reparaturen Schweißarbeiten und sind daher schwierig instand zu halten.

Ziemlich schnell verliert Henri Tudor sein Interesse an elektrischen Anlagen und widmet sich vollständig der Herstellung und stetigen Weiterentwicklung der Blei-Akkumulatoren. Bereits 1889 beschweren sich viele Arbeiter der Fabrik Tudor Brüder und Schalkenbach, dass sie nicht die Technologie nutzen zu können, die sie selber herstellen – aber es wird noch bis zum Jahr 1901 dauern, ehe auch Rosport eine öffentliche elektrische Beleuchtung erhält.

Das „Energy-Car“

Im Jahre 1905 präsentieren die Brüder Tudor bei der Weltausstellung in Lüttich den so genannten “Energy-Car”. Dieser Wagen sollte jene Gegenden mit Strom versorgen, die nicht mit an das Elektrizitätsnetz angeschlossen waren. Der Wagen enthält einen Benzin-Motor, der über eine elastische Kupplung mit einem Elektromotor verbunden ist. Die angeschlossenen Akkumulatoren speichern die überschüssige Energie, die sie bei Bedarf wieder abgeben. Der Energy-Car kann genau wie seine „Verwandte“, die so genannte Lokomobile, landwirtschaftliche Maschinen antreiben, ist dabei aber leichter und effizienter. Obwohl ein technologischer Fortschritt, hat der Energy-Car keinen kommerziellen Erfolg.

Im Jahre 1908 ist Henri Tudor auch vor dem Hintergrund dieses Flops gezwungen, sein Werk in Rosport zu schließen. Die kleine Fabrik liegt zudem weit abseits der großen Städte und kann die Nachfrage nicht mehr befriedigen. Die hohen Zölle für die Einfuhr von Blei ebenso wie für die Ausfuhr von Akkumulatoren belasten die Ertragskraft des Unternehmens, weshalb die Produktion in das 1901 gegründete Werk von Florival in Belgien verlagert wird.